Große Verdienstmedaille der Kunst und Kunstindustrieausstellung 1876
Datierung: 1876
Material/Technik: Kupfer (Grundkörper), Silber, wohl teilvergoldet/ Hohlgalvanoplastik
Gewicht: 232,14 g
Maße: Ø 11,5 cm
Signatur: Wagmüller
Inv.Nr.: V1M a
Die 1840 von Johann Friedrich August Schütz (Hannover 1808-Wurzen 1887) zur Zeit der anmutigen bürgerlichen Wohnkultur des Vormärz und des Biedermeier gegründete Tapetenfabrik Wurzen, produzierte hochwertige Handdruck- und Rollentapeten in besonderen Farben und Mustern. Mit fortschreitender Industrialisierung und einem zunehmend maschinellen Produktionsprozess kamen immer aufwendigere Muster und Materialien zum Einsatz. Um unabhängig von Rohstoffimporten zu werden, gründete Schütz 1856 eine „Teppich- und Veloursstaubfabrik“, deren Entwicklung und Leitung er seinem erfindungsreichen, aber bislang weniger geschäftstüchtigen Bruder George Ludwig Christoph Schütz (Hannover 1802-Wurzen 1877) übertrug. Bei ihm hatte er einst die Fabrikation von Tapeten erlernt. Bei der Teppichproduktion entstand das Abfallprodukt Veloursstaub. Dieser fand seine Weiterverwendung in den aufwendig produzierten Veloursstaubtapeten, ein aus heutiger Sicht sehr nachhaltiges Verfahren. Auch nach Schließung der Tapetenfabrik (1935) blieb die Teppichwarenfabrik fester Bestandteil der Wurzener Industrie und wurde bis 1990 weiterbetrieben.
Es gelang der Familie Schütz eine Teppichproduktion aufzubauen, die in Europa ihresgleichen suchte. Die Muster wurden von besonders renommierten Dessinateuren gestaltet, die Materialien waren hochwertig und der Umgang mit den Mitarbeitern fortschrittlich. Sie erhielten guten Lohn, der Fabrikleiter Petter Andreas Georg Juel (Wisby bei Oslo 1840-Nischwitz 1900), ein Schwiegersohn von Schütz, legte den Stadtpark Wurzens an und öffnete für die Mitarbeiterinnen eine „Kinderbewahranstalt“, in der sie ihre Kinder während der Arbeitszeit betreuen lassen konnten.
Von Beginn an präsentierte die Tapeten- und dann auch die Teppichwarenfabrik besonders gelungene Muster und Produkte auf verschiedenen Messen und Ausstellungen. So auch zur „Kunst und Kunstindustrieausstellung“ 1876 im Glaspalast in München, die unter der Schirmherrschaft König Ludwigs II. von Bayern (1864-1886) stand. Laut Ausstellungskatalog war die Teppichfabrik Schütz & Juel mit einem Smyrnateppich vertreten, dessen Entwurf der Berliner Architekt August Carl Alexander Schütz (Hannover 1847-Berlin 1892) geliefert hatte, der Sohn von George Schütz. Er war Architekt des Kaufhauses der Wurzener Teppichfabrik von Berlin. Gleichfalls von ihm entworfen war das ebenso ausgestellte Tapetendekor, das August Schütz ausgeführt hatte. Für ihre Leistungen erhielt die Teppichfabrik die große Verdienstmedaille.
Ausgeführt wurde die Medaille in Bronze und als Galvanoplastik. Dr. Michael Mäder, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Abteilung Forschung, hat die Medaille des Kulturhistorischen Museums Wurzen erst jüngst einer Röntgenfluoreszenzanalyse (RFA) unterzogen, um auf diesem Wege eine genaue Kenntnis von Material und Herstellungstechnologie zu erlangen. Die Analyse hat ergeben, dass es sich bei dieser Ehrenmedaille um eine Galvanoplastik handelt, bestehend aus einem galvanisch hergestellten Kupfergrundkörper und einer anschließend galvanisch aufgebrachten Silberschicht. Bestätigt wurde, dass die Medaille wenigstens teilvergoldet war. Eine ursprüngliche Gesamtvergoldung lässt sich aus den Messungen nicht ableiten.
Das Relief der Medaille ist sehr plastisch ausgeführt, wobei es eine Höhe zwischen 9 bis 17 Millimetern erreicht. Dargestellt sind auf der Vorderseite allegorische Figuren der Kunst (weiblich) und des Handwerks (männlich), die sich über einer Gruppe von Werkzeugen die Hände reichen. Die zweizeilige Schriftkartusche zwischen ihren Köpfen verweist auf den Austragungsort und Jahr der Ausstellung: MUENCHEN|MDCCCLXXVI. Den Fußteil dekorieren Früchte, ein kleines Spinnennetz und eine Biene. Insgesamt ist das Relief sehr detailreich gestaltet und filigran ausgearbeitet. Auf der Rückseite umrahmen ein Lorbeer- und ein Eichenlaubkranz ein Medaillon mit der zweizeiligen Inschrift: DEM | VERDIENSTE. Auch diese Blätter sind sehr schön ausgearbeitet und man entdeckt zwischen den Blättern kleine Eicheln und Lorbeeren.
Literatur:
Katalog der Kunst- und Kunstindustrie-Ausstellung alter und neuer deutscher Meister sowie der deutschen Kunstschulen im Glaspalaste zu München 1876, S. 61f.
Maillinger, Joseph, Bilder-Chronik der Königlichen Haupt- und Residenzstadt München. Verzeichnis einer Sammlung von Erzeugnissen der graphischen Künste zur Orts-, Cultur- und Kunst- Geschichte der bayerischen Capitale vom fünfzehnten bis in das neunzehnte Jahrhundert, Bd. 3, München 1876, S. 176 (Nr. 2782)
Hauser, Josef, Die Münzen und Medaillen der im Jahre 1156 gegründeten (seit 1255) Haupt- und Residenzstadt München, München 1905, S. 166, Tafel XXIV.
Kurda, Robert, Michael Wagmüller. Ein Bildhauer im Dienste König Ludwigs II. München – Linderhof – Herrenchiemsee, Diss. München 2005, S. 7, 247.