So zitiert Dieter Gleisberg 1993 in einem Aufsatz den Wurzener Maler und Grafiker Hans-Peter Hund, dessen hohes künstlerisches Ethos er wie so viele andere ebenso bewunderte wie dessen selbstgewählten Lebensweg, den dieser trotz vieler Hindernisse und schmerzlicher Erfahrungen beharrlich als Maler gegangen ist.
Der am 26. Oktober 1940 in Wurzen als einziger Sohn von Curt und Margarete Hund geborene und am 26. Februar 2023 im Alter von 82 Jahren in seiner Heimatstadt verstorbene Künstler gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Muldestadt und des Landkreises Leipzig. Über viele Jahrzehnte ist ein umfangreiches, in sich geschlossenes künstlerisches Œuvre entstanden, das Gemälde, Zeichnungen, Pastelle, Monotypien, Holzschnitte und Aquarelle umfasst und in zahlreichen ostdeutschen Museen und Galerien wie Privatbesitz vertreten ist.
Bereits im Alter von 13 Jahren stand für den religiös geprägten und naturliebenden Hans-Peter Hund fest, dass er Maler werden möchte. Gefördert von seinem Zeichenlehrer Rudolf Wiegand beginnt ein entbehrungsreiches, wechselvolles Künstlerleben. Zunächst absolviert er eine kunsthandwerkliche Ausbildung zum Dekorationsmaler (1955-1958) und beginnt danach das ersehnte Kunststudium an der Fachschule für angewandte Kunst in Potsdam (1959-1962). Hier nutzt er bis zum Bau der Mauer die Nähe zu Westberlin, um für sein Schaffen inspirierende und prägende Kunstausstellungen wie die Retrospektiven "Triumph der Farbe: Die europäischen Fauves" (1959) oder "Berlin – Ort der Freiheit für die Kunst" (1960) zu sehen. 1961 werden ihm Gemälde des Malers und Grafikers Hans Jüchser (1894–1977) zur Offenbarung, einem der wichtigsten Künstler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Dresden. Zu ihm, wie später zu dem Dresdner Kunsthistoriker Diether Schmidt (1930–2012) oder dem ebenso älteren Leipziger Maler Albert Wigand (1890-1978) baut er einen freundschaftlichen Kontakt auf, Jüchser wird sein Mentor. Als freischaffender Maler und Grafiker kehrt der vom Fauvismus und Expressionismus begeisterte Hund 1962 in seine Heimatstadt zurück, verdient er seinen Lebensunterhalt mit Nebenarbeiten als Schrift- und Stubenmaler. Geographisch gehört Hund zwar zur Leipziger Schule, künstlerisch jedoch stand er der Dresdner Malerei von Jüchser und Curt Querner (1904-1976) nahe. 1965 wird er Mitglied des Verbandes Bildender Künstler Deutschlands, seitdem ist er auf den Kunstausstellungen des Bezirkes Leipzig vertreten, und seit 1967 in den Deutschen Kunstausstellungen in Dresden vorwiegend mit Aquarellen präsent.
Bei den offiziellen Instanzen fallen in Wurzen von Anfang an sein auf Ausdruck des Gefühls durch Farbe ausgerichtetes künstlerisches Streben und sein bezüglich der Vorstellungen von sozialistisch-realistischer Kunst unangepasster, melancholischer Stil nicht auf fruchtbaren Boden. Öffentliches Misstrauen und Widerspruch erregen seine dunkeltonige Farbigkeit und seine den offiziellen Leitbildern nicht entsprechenden Porträts bereits 1963 in seiner ersten, ein Jahr zuvor in Leipzig präsentierten Einzelausstellung in der Wurzener Buchhandlung "Buch und Kunst". Es beginnt ein jahrzehntelanges Tauziehen zwischen dem Maler und den politischen Funktionären. Intoleranz auch außerhalb von Wurzen führt zur Schließung von Einzelausstellungen 1967 in Berlin, 1970 in Halle. Die Ausstellung in der Leipziger Galerie "Wort und Werk" löst 1967 in der regionalen Zeitschrift "Der Rundblick" eine heftige, diffamierende Debatte aus. Verletzende Rückschläge, die den sensiblen Künstler tief treffen und öffentliche Ankäufe zurück gehen lassen. 1969 hält sich Hund erstmals in Thallwitz bei Wurzen auf, hier arbeitet er später häufig. Trotz weiterer Einzel- und Gruppenausstellungen entwickelt er sich immer mehr zum Solitär, plagen ihn psychische Wunden. Vergebens müht er sich bis in die achtziger Jahre, zu Studienzwecken eine Reiseerlaubnis ins westliche Ausland zu erlangen. Künstlerisch erfüllende mehrwöchige Reisen führen ihn zwischen 1973 und 1988 nach Prag, wo er 1975 in der dortigen Nationalgalerie an der Ausstellung "Zeichnungen und Aquarelle von deutschen Künstlern des 20. Jahrhunderts" beteiligt ist. Wie überall, so auch in Prag, entstehen Hunds Aquarelle – menschenleere Stadtlandschaften – ohne Vorzeichnung direkt in der Natur. „Der dynamische Pinselschlag“, so Ingrid Leps in einem 2015 erschienenen Aufsatz, „der bis in die siebziger Jahre natürlich gewachsenen Strukturen nachspürt, wird zurückgedrängt von fleckenhaft gesetzten Farbtönen – ein Prozess, der schließlich zu den großartigen pittoresken Verdichtungen führt, die Kenner an den Arbeiten Hunds so begeistern. Zudem entwickelt der Maler die Fähigkeit, ungebrochen leuchtende Töne so einzusetzen, dass sie die Wirkung des erdhaft-verhaltenen Kolorits ihrer Umgebung meisterhaft steigern.“ In der Aquarellmalerei, in der Landschaften und Blumenstillleben in frühlingshaften und herbstlichen Farben dominieren, erlangt er höchste Meisterschaft und Anerkennung. 1979 reist er nach Leningrad und Moskau. 1981 nimmt er an der Ausstellung „Das Aquarell in der Kunst der DDR“ in Gent mit Aquarellen teil, seine Anreise zur Ausstellung jedoch wird abgelehnt.
1979 beginnt er mit den zu seinem Markenzeichen gewordenen Himmel-Aquarellen. Da diese immer am selben Standort in flacher Ebene entstehen und stets denselben Bildaufbau – tiefliegender Horizont, weiter Himmel – haben, entfalten sich vor dem Auge des Betrachters im Vergleich der schier zahllosen Momentaufnahmen eine Fülle an Naturzuständen und Wetterlagen: Wolken, Nebel, Regen, Gewitter, Auflichtung, Wolkenfetzen, Sonnenhimmel, Abendhimmel. Auf diese Weise entstehen stille, aber hochbeeindruckende Zeugnisse des immerwährenden Wandels und der Veränderung der Natur, der Welt, tagebuchähnliche Seelenbilder des Künstlers. Wie in vielen seiner Werke geht es Hund nicht um klare Erkennbarkeit, es dominiert das Ausloten von erwanderten, durchlebten Stimmungen und Gefühlen mittels einer koloristisch verfeinerten und subtilen Bildsprache. Immer wieder stellt er sich dem scheinbar Unspektakulären, weiten Flussauen, wilden Hängen, stillen Gartenwinkeln, Büschen, Blumen und sucht darin das Grundsätzliche, das Geheimnisvolle.
1985 schließlich reist er nach Wien und Salzburg, nutzt 1989 eine zweite Österreichreise, um – wie er damals glaubt – wenigstens einmal in Venedig gewesen zu sein. Mit dem Mauerfall und der deutschen Einheit steht dem spartanisch und entbehrungsreich lebenden Künstler, der immer und immer wieder seinen engen Schaffenskreis auslotet, plötzlich die Welt offen. In den neunziger Jahren erschließt er sich voller Neugier und Vitalität neue Bild- und Wissenswelten, reist nach Westdeutschland und Belgien, mehrfach nach Venedig, wo ihn enge Gassen und Kanäle begeistern, danach in die Toskana, schließlich in die Niederlande, denn das Vorort-Malen blieb stets sein Credo. Dem psychischen Druck indes hält er nicht stand, zwischen 1997 und 2000 kommt seine künstlerische Arbeit zum völligen Erliegen. Doch er überwindet diese Lebenskrise. Ihm gelingt der künstlerische Wiederaufbruch: So reist er erneut und viele Jahre hindurch immer wieder in den warmen Süden, zuerst in die Toskana, wo Zeichnungen und Aquarelle entstehen. 2002 wird ihm der Gellert-Kunstpreis verliehen. Studienreisen nach Sizilien und Griechenland folgen. Nochmals wandelt sich im Ankommen in den ihm vertraut gewordenen weiten (Stadt)Landschaften, am Mittelmeer, den Gebirgszügen auf Sizilien und der gleißenden Helle des Südens sein künstlerischer Duktus, die Farbpalette wird zunehmend zarter, diaphaner, die hell leuchtenden Farbflächen werden kompakter, die Bildaussagen dadurch noch allgemeingültiger. Das Dunkle, Schwere scheint am Ende getilgt, der innere Frieden – gefunden.
Viele Ausstellungen haben die Werke von Hans-Peter Hund bereits gesehen. Die nach langer Pause 1981 in der neu geschaffenen Galerie im Alten Rathaus von Wurzen präsentierte und von Diether Schmidt eingeführte zweite Ausstellung von Kohlezeichnungen und Aquarellen fand in Ingrid Leps im Rundblick von 1982 eine fachlich versierte Kritikerin und hohes Lob. Weitere späte öffentliche Anerkennung in seiner Heimatstadt fand sein Werk mit Museumsankäufen (ab 1995) und Ausstellungen (2002, 2015). So fand anlässlich seines 75. Geburtstages die letzte größere Einzelausstellung seiner Italienaquarelle in der Städtischen Galerie am Markt statt, 2020 wurde sein 80. Geburtstag im Arkadenhof des Museums gefeiert. Seit dem umfangreichen Ankauf (ermöglicht durch eine Förderung des Freistaates Sachsen) von zwölf Gemälden, Himmelsaquarellen und Porträts des segelohrigen Straßenkehrers Wilhelm Freimark, den Hund über Jahre hinweg immer wieder malte, sind diese repräsentativen Werke ein wertvoller Sammlungsbestand und stehen innerhalb der Dauerausstellung des Kulturhistorischen Museums Wurzen einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung.
Die tiefe Anteilnahme des Kulturhistorischen Museums Wurzen gilt der Familie, den Freunden und Wegbegleitern des Künstlers.
Aus gegebenem Anlass lädt das Museum am 29. März 2023 um 17 Uhr zur öffentlichen Führung zu Leben und Werk von Hans-Peter Hund ein. (4 € pro Person)