Zylinderbureau
wohl um 1820
Holz (u.a. Eibe, Nussbaum), Messing, Textil
H 116 cm x B 100 cm x T 58 cm
Inv.-Nr. V1955E
Typisch für die bürgerliche Kultur des Biedermeiers (ca. 1815 – 1855) ist der Rückzug ins Private, die Fixierung auf die Familie. In der Kunst häufen sich Porträts der Kinder oder der gesamten Familie sowie Landschaftsdarstellungen. Hausmusik ist nun besonders beliebt. Das Klavier avanciert in den wohlhabenden Familien zum Instrument weiblicher Erziehung. Es gründen sich Gesangsvereine und Musikgesellschaften. Die Behaglichkeit des Wohnraumes tritt stark in den Vordergrund. Es entsteht ein Mobiliar, dass alle Mitglieder des Haushalts in einem Raum versammeln ließ und dabei so vielfältig war, dass jeder seinen Interessen und Aufgaben nachkommen konnte: große, häufig runde Tische, kleine Klaviere, Schreibschränke, Sofas, Kommoden und Zylinderbureaus. Kommoden dienen als vielfältig nutzbare Stauräume etwa für Tischdecken oder Stickarbeiten. Die Wände sind weiß getüncht, wobei das wohlhabende Bürgertum gestreifte, mit kleinen floralen Mustern verzierte Tapeten nutzt. Üppige, geraffte Vorhänge dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Das Zylinderbureau ist ein Schreibmöbel mit einer halb- oder viertelzylinderförmigen Klappe zum Hochschieben, dessen Unterbau entweder als Tisch oder als Kommode gefertigt ist. Die Inkunabeln dieses Typs stammen aus den 1750er Jahren, der aber auch nach 1800 noch häufig hergestellt wird. Im Laufe der Zeit wandelt er sich in einen Schreibschrank mit glatter Schreibplatte zum Zuklappen.
Bei einigen Bureaus wird durch das Schieben der Klappe die Schreibplatte herausgefahren, teilweise muss dies von Hand erfolgen. Hinter der Klappe verbergen sich viele kleine Schubladen und Fächer für Schreibarbeiten, Korrespondenz, Poesiealben oder Sammlungen kleiner Objekte wie Münzen, Steine oder ähnliches. Manchmal gibt es auch noch ein Geheimfach. Die unteren Kommodenschubladen wurden vielfältig genutzt, etwa für Papier, Akten und andere Schreibutensilien oder je nach Aufstellungsort passendes. Ein Zylinderbureau für eine weibliche Nutzerin wurde oftmals in der Mitte des Raumes positioniert und von allen Seiten furniert. Vorzugsweise wurde es jedoch an einer Wand aufgestellt, weshalb die Rückseite ungestaltet blieb.
Besonderheit erlangt dieses Schreibmöbel vor allem durch seine Oberflächengestaltung: Aufwendige Furnierarbeiten wie Intarsien oder andere Marketeriearbeiten, die hochglänzend poliert wurden, ließen ein besonders repräsentatives Möbelstück entstehen. Marketerie, auch als Holzmosaik bezeichnet, und Intarsien sind Methoden der Holzgestaltung, die ein hochwertigeres, künstlerisch gestaltetes Holz auf bzw. in ein günstigeres Holz, das sogenannte Blindholz, legten. Sie verfolgten somit den Zweck, künstlerische Effekte mithilfe von dünnen Furnierhölzern zu erreichen.
Das Wurzener Zylinderbureau entstand vermutlich um das Jahr 1820. Sein Hersteller ist nicht bekannt. Das Furnier besteht aus Nussbaumholz, welches verschiedenfarbig eingefärbt wurde und Eibenholz. Das Blindholz ist nicht bestimmt. Im Inneren liegen vier Schubladen und ein offenes Fach, teilweise mit grünem Samt ausgeschlagen. Die Schreibplatte muss an Messingknöpfen nach dem Öffnen von Hand herausgezogen werden. Die zwei unteren Schubladen verfügen über Messingbeschläge und sind abschließbar. Getragen wird der Korpus von vier spatenförmigen Beinen. Die Furnierarbeit ist in der Fläche rautenförmig angelegt, in der Mitte des Zylinders bilden dreidimensional wirkende Würfel einen Kreis mit einer Schleife im oberen Bereich. Die Ränder sind mit Blättern verziert und an den Kanten des Möbels wurden kleine schwarzgefärbte Holzplättchen eingelegt, sodass der Rand aussieht, als wäre er mit einem dünnen Band umwickelt. Das Objekt wurde 1981 für das Museum angekauft.
Literatur:
Himmelheber, Biedermeiermöbel, 2. durchges. u. erw. Aufl. München 1991.
Vernon Knight/M. Wulpi, Furniere und Sperrholz, Bd. 1, Eigenschaften und Herstellung von Furnier und Sperrholz, Berlin 1930, Online-Ressource 2012.
Olles, Artikel: „Bureau“, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1950), Sp. 118–126; in: RDK Labor, URL: <https://www.rdklabor.de/w/?oldid=88719
Pressler/R. Straub, Biedermeier-Möbel, 4. überarb. u. erw. Aufl. Augsburg 1992.
White/B. Robertson, Möbelstilkunde. Ein Bildlexikon, München 1992.