Nicholas Lambert
Bodenstanduhr mit Gewichtsantrieb und Schlagwerk
London, ca. 1750–1770
Gehäuse vermutlich Walnuss mit Glas, Zifferblatt Messing
Inschrift Namensplakette: Nich(ola)s Lambert London
H 230 x B 39 x T 22 cm
Inv.-Nr: V1459E
Dieser streng gegliederte Pendelschwinger mit Gewichtsantrieb und Schlagwerk bildet einen starken Kontrast zwischen Schlichtheit und verspieltem Design. Während sich das elegante Gehäuse der Standuhr mit klaren Strukturen in hochwertigem Material präsentiert, fokussieren sich das Zifferblatt und die Zeiger auf verspielte Ornamentik und Ikonographie des späten Barocks. Das Messingzifferblatt umschließt einen Zifferring mit römischen Zahlen und äußeren Minutenmarkierungen, die einen mattierten Mittelpunkt mit geformter Namensplakette, Datumsfenster und Sekundenanzeige umgeben. So ausgestattet, garantiert die Uhr eine präzise Zeitangabe. Darüber hinaus ist die Uhr mit einer Schlag-Stille-Anzeige ausgestattet. Nach oben und unten schließt die Uhr gerade ab, nur einige umlaufende verkröpfte Profile strukturieren die ansonsten glatten Oberflächen des mittelbraunen Gehäuses in der Horizontalen. Die Gehäusetür ist hochrechteckig und unprofiliert gestaltet.
Der Schriftzug unterhalb der Zeiger verweist auf den Erbauer, Nicholas Lambert aus London. Demnach handelt es sich bei der wohl um 1760 hergestellten Uhr um einen Import aus dem Königreich Großbritannien.
Das Konzept der Bodenstanduhren entsteht Ende des 17. Jahrhundert in England und den Niederlanden als Gegenpol zu den Stock- und Stuhluhren, die entweder auf einer Kommode stehen bzw. an der Wand befestigt werden müssen. Das Gehäuse der Standuhr dient dabei hauptsächlich als Schutz für das empfindliche System aus Uhrwerk, Gewichten und dem neu eingeführten längeren Pendel. In England bekommt dieser Uhrentyp den Beinamen „grandfather clock“, gelegentlich auch „grandmother clock“ sofern eine Höhe unter 1,70 Meter besteht.
Das längere Pendel ist auf eine weitere Errungenschaft der Zeit zurückzuführen: Um 1670 entwickelt der Schmied William Clement (1638–1704) die sogenannte englische Hakenhemmung, die gelegentlich auch nach ihm als „Clementsche Hakenhemmung“ bezeichnet wird. Die Hemmung ist im Uhrwerk das Herzstück, welches im Takt des Schwingsystems (z.B. Pendel) kontrolliert Energie an das Räderwerk freigibt. Die damit verbundenen Zeiger können so die genaue Uhrzeit anzeigen. Bis 1670 nutzt man hauptsächlich eine Spindelhemmung, die eine starke rückführende Bewegung auf das Räderwerk ausübt, was langfristig zu Schäden im Uhrwerk führt. Hinzu kommt ein relativ kurzes Pendel, welches für die Ganggenauigkeit weniger optimal ist. Mit der neuen Hakenhemmung entsteht zwar weiterhin eine rückführende Bewegung, jedoch verteilt sich die Belastung symmetrisch, sodass dies in Kombination mit einem längeren Pendel eine höhere Ganggenauigkeit ermöglicht. Schon bald werden Präzisionspendeluhren mit Sekundenanzeige auf den Markt gebracht.
Der Wunsch nach präziseren Uhren stammt ursprünglich aus der Wissenschaft, gefolgt von der Schifffahrt zur genauen Ortsbestimmung und tangiert kaum das alltägliche Leben. Erst mit dem Einzug der industriellen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts und dem zunehmenden Drang nach festen Zeitplänen im Arbeitsalltag kommt der endgültige Durchbruch der Uhr. Sie wird zum Instrument der genauen Arbeitszeiterfassung. Grobe Zeitangaben entsprechend des Sonnenstandes gehören der Vergangenheit an, nun prägen fest getaktete Zeiten den Alltag von Millionen von Menschen. Es entsteht unser heutiges Verständnis von Zeit.
Während an den mechanischen Vorgängen immer kleinteiliger getüftelt wird, unterziehen sich die nach außen sichtbaren Bestandteilen modischen Trends. Schon bald etablieren sich sogenannte „Uhrgehäusemacher“, die sich auf die Erbauung der Gehäuse spezialisieren. Geschwungene Formen des Barocks bleiben bis Mitte des 18. Jahrhunderts in Mode, ehe sie von den klaren Strukturen des Klassizismus überholt werden. Für die Zifferblätter greift man auf massenproduzierte Eckornamente zurück, die ganz im Stile des Barocks vornehmlich aus Darstellungen von Laubwerk bestehen.Ein besonders beliebtes Motiv aus der Regierungszeit König Georg III. von Großbritannien (1738–1820) zeigt ein von Blattwerk umhülltes Gesicht, welches auch Lambert bei dieser Standuhr verwendet. Ähnlich unterliegt auch
die Ornamentik der Zeiger einem gewissen Modebewusstsein weg von vielen Details hin zu eher einfacheren Strukturen.
Im Fall der Standuhr von Lambert fällt die starke Schlichtheit des Gehäuses auf, die wohl zunächst mit dem Klassizismus in Verbindung gebracht werden kann. Dieser löste um 1770 den Stil des Rokokos ab, der sich durch geschwungene, asymmetrische Formen und luftig verspielte Designs ähnlich dem vorangegangenen Barock auszeichnet. Jedoch fehlen die dafür typischen antiken Stilelemente wie Säulen, sodass an dieser Stelle hinterfragt werden muss, ob es sich um ein originales Gehäuse handelt oder das Uhrwerk zu einem späteren Zeitpunkt erworben und eingesetzt wurde.
Quellen und Literatur
F. J. Britten, Old Clocks and Watches and their Makers, London 5. Aufl. 1922.
K. Dinger, Die Großuhr. Pendule, Regulator & Co. Technik, Geschichte, Instandhaltung und Reparatur, Königswinter 2014.
G. Krug, Mechanische Uhren. Einzelteile, Baugruppen, Werk- und Hilfsstoffe, Berlin 2016.
W. Nutting, The Clock Book, New York 1
